Nicht nur für Profisportler, sondern auch für Freizeitsportler, Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen oder zur gezielten Gewichtsreduktion bietet sich eine optimale Trainingssteuerung mit der Spiroergometrie an. Um was für ein diagnostisches Verfahren es sich hierbei handelt, erfahren Sie im folgenden Text.
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Was ist eine Spiroergometrie?
Aus der kardiologischen Praxis kennen Sie bereits die klassische Belastungsuntersuchung, das Belastungs-EKG. Während einer steigenden Belastung auf dem Fahrradergometer, ausgedrückt in der Wattzahl, registrieren wir Ihr EKG und Ihren Blutdruck. Neben EKG-Veränderungen, die auf eine mögliche Durchblutungsstörung Ihres Herzens hindeuten können, beurteilen wir auch Ihr Puls– und Blutdruckverhalten sowie Ihre Belastbarkeit.
Spiroergometrie: Kombination aus Belastungs-EKG mit gleichzeitiger Messung der Atemgase
Im Mittelpunkt der Diagnostik: die maximale Sauerstoffaufnahme VO2max
Ein zuverlässiger Parameter, der Ihre körperliche Leistungsfähigkeit darstellt, ist die maximale Sauerstoff-Aufnahme VO2max. Sie gibt an, wieviel Sauerstoff Ihr Körper während einer maximalen Belastung aufnehmen (Lunge), transportieren (Herz-Kreislauf) und verwerten (Muskel) kann. Ein Mehr an Sauerstoffaufnahme bedeutet mehr Leistung. Damit Sie Leistung erbringen können, ist ein intaktes Zusammenspiel mehrerer Organsysteme notwendig.
Bestimmung des aerob-anaeroben Übergangsbereiches als Maß für die Ausdauer-Leistungsfähigkeit
Besonders Sportinteressierte kennen den Begriff der anaeroben Schwelle (siehe Artikel: „Was ist die anaerobe Schwelle?“). In der Literatur wird allerdings der Begriff der anaeroben Schwelle uneinheitlich und zum Teil widersprüchlich gebraucht. Karlman Wassermann, ein amerikanischer Physiologe, begründete die nach ihm benannte Wassermann-9-Felder-Tafel, ein Standardlayout für die grafische Darstellung der Spiroergometrie-Daten. Er prägte 1964 den Begriff der anaeroben Schwelle als Beginn des Übergangsbereiches von der aeroben in die anaerobe Energieverwertung (d.h. ohne Sauerstoff).
Schwellenbasierte Atemmodelle in der Spiroergometrie
Mit der Bestimmung der beiden ventilatorischen Schwellen (ventilatory threshold, VT) in der Spiroergometrie gelingt eine einheitliche Beurteilung des aeroben und anaeroben Stoffwechsels und damit eine Trainingssteuerung für die Ausdauer-Leistungsfähigkeit. Vereinfacht werden zwei verstärkte Atemantriebe für die ventilatorischen Schwellen VT1 und VT2 gemessen (siehe Text: „Laufen ohne zu schnaufen“). Beide Schwellen stellen die respiratorische Antwort auf die unter Belastung auftretenden metabolischen Veränderungen dar.
Die erste ventilatorische Schwelle VT1 korreliert mit dem ersten verstärkten Atemantrieb unter körperlicher Belastung, wenn vermehrt Kohlendioxid (CO2) aus der „übersäuerten“ Muskelzelle frei wird. In diesem Bereich können wir auch den ersten Laktatanstieg im Blut messen. Bis zur VT1 liegt vorwiegend die effizientere aerobe Energiegewinnung vor (siehe Text „Laufen ohne zu schnaufen“), d.h. auch die Fettverbrennung läuft auf Hochtouren. Die VT1 kennzeichnet also den Beginn des aerob-anaeroben Übergangs.
Im Gegensatz dazu beschreibt die zweite ventilatorische Schwelle VT2 das Ende des aerob-anaeroben Übergangs oder anders ausgedrückt: mit Überschreiten der VT2 sind wir im hauptsächlich anaeroben Stoffwechsel angekommen. Hier übersäuert nicht nur lokal die Muskulatur, sondern auch systemisch das Blut, da die bluteigenen Puffersysteme erschöpft sind. Es kommt zu einem pH-Abfall des Blutes mit einem weiteren Laktatanstieg (Laktatexzess), d.h. wir verlassen das Laktat-Steady-State. Kompensatorisch steigern wir überproportional unsere Atemfrequenz (Hyperventilation), um vermehrt Kohlendioxid abzuatmen.
Für wen ist eine Spiroergometrie sinnvoll?
Nicht nur für Sportler ist die Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme wichtig, um ihre Leistungsfähigkeit einzuschätzen und das Training zu optimieren. Freizeitsportler können ihre Kondition verbessern, für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen können wir ein sicheres aerobes Training gestalten oder zum Beispiel eine Therapiekontrolle durchführen.
Auch bei ungeklärter Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder Luftnot unter Belastung gelingt eine bessere Zuordnung, welches Organsystem betroffen ist.
Wie läuft die Spiroergometrie ab?
Lungenfunktionstest (Spirometrie) als Grundlage
Die Untersuchung fängt mit einem Lungenfunktionstest in Ruhe, medizinisch Spirometrie, an. Bei dieser Untersuchung werden die Atemgaswerte in Ruhe gemessen. Eine mögliche Erkrankung der Atemwege, wie beispielsweise die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (kurz COPD), kann hier schon erkannt werden. Auf Basis dieser Untersuchung werden die individuellen Sollwerte für die Atmung unter Belastung errechnet.
Anpassung der Atemmaske
Nach dem Lungenfunktionstest wird eine luftdicht abgeschlossene Maske über Ihren Mund und Nase angelegt. An die Atemmaske werden zwei dünne Schläuche angeschlossen über die kontinuierlich Ihr Atemzugvolumen mit der Atemfrequenz, die Sauerstoff-Aufnahme und Kohlendioxid-Ausscheidung bestimmt werden. Während der ersten Messung in Ruhe sitzen Sie bereits auf dem Fahrradergometer, bei dem wir Ihr EKG und Ihren Blutdruck erfassen.
Belastungstest in der Spiroergometrie
Bei dem Belastungstest steigern wir die Belastung auf dem Fahrradergometer kontinuierlich (Rampentest) oder stufenweise (Stufentest). Je nach Testprotokoll planen wir die Belastungsphase mit einer Dauer von 8-12 Minuten (maximal 20 Minuten). Aus den Messwerten der Atemmaske und den Daten aus dem Belastungs-EKG (Herzfrequenz, erreichte Leistung in Watt) werden automatisiert Daten errechnet, so dass wir Ihre kardiopulmonale Leistungsfähigkeit beurteilen können.
Wie lange dauert eine Spiroergometrie?
Für die Vorbereitung inklusive Lungenfunktionstest, den Belastungstest und die Nachbeobachtung planen wir ca. 30-45 Minuten ein.
Wie bereite ich mich auf die Spiroergometrie vor?
Grundsätzlich ist eine ärztliche Untersuchung vor einer Spiroergometrie sinnvoll. Diese sollte auch nicht älter als ein Jahr sein. Nur so können wir mögliche Vorerkrankungen berücksichtigen und die Risiken, die mit einem solchen Belastungstest einhergehen können, so niedrig wie möglich halten.
Mindestens zwei Tage vorher sollten Sie kein hartes Training absolviert und zwei bis drei Stunden vorher kein Essen zu sich genommen haben.
Bringen Sie auch Ihre Sportkleidung mit einem kleinen Handtuch mit! Bei akuten Erkrankungen oder Beschwerden sollten Sie vorher auch den Untersucher informieren, denn in solchen Fällen darf kein Belastungstest durchgeführt werden.
Welche Risiken birgt die Spiroergometrie?
Insgesamt ist die Komplikationsrate einer Spiroergometrie extrem niedrig und hängt von den untersuchten Personen ab. Herzkranke Patienten haben ein höheres Risiko als (gesunde) Sportler. Dennoch ist im Allgemeinen die Häufigkeit tödlicher Komplikationen wie z.B. ein tödlicher Herzinfarkt mit 0,03% sehr selten, ebenso das Auftreten nicht-tödlicher Infarkte mit 0,09%. Komplexe Herzrhythmusstörungen aus der Hauptkammer werden mit einer Häufigkeit von 1,4% beobachtet. Kreislaufstörungen nach der Belastung können mit einer Häufigkeit von 3-9% auftreten.
Wichtig zu wissen: alle Mitarbeiter, die eine Spiroergometrie durchführen, sind in der Behandlung mit Notfällen geschult.
Wann darf die Spiroergometrie nicht durchgeführt werden?
Es gibt eine Reihe von akuten Erkrankungen oder Situationen, bei denen eine Spiroergometrie zu schweren Komplikationen führen könnte. Wichtig ist, dass Sie uns bei Ihrem Untersuchungstermin über neu aufgetretene Erkrankungen oder Beschwerden informieren.
Bei folgenden Erkrankungen dürfen wir keine Spiroergometrie durchführen:
- Akute fieberhafte Erkrankung
- Akute Herzentzündung (Myokarditis, Endokarditis, Perikarditis)
- Akuter Herzinfarkt, instabile Angina pectoris, neu aufgetretener Linksschenkelblock
- Herzinfarkt innerhalb der letzten Woche
- Blutdruck-Entgleisung
- Neu aufgetretene oder unkontrollierte/unbehandelte Herzrhythmusstörungen, höhergradige AV-Blockierungen
- Akute Beinthrombose
- Akute Lungenarterienembolie
- Dekompensierte Herzschwäche
- Akute Aortendissektion
- Herzklappenfehler mit Ohnmacht (Synkope): z.B. höhergradige Aortenklappenstenose
- Symptomatische zerebrale Durchblutungsstörung (z.B. 90%ige Carotisstenosen)
- Unbehandeltes Asthma bronchiale
Fazit
Die Spiroergometrie ist eine Kombination aus einem Belastungs-EKG mit gleichzeitiger Messung der Atemgase. Mit dieser Untersuchung bestimmen wir die Leistungsfähigkeit der Lunge, des Herz-Kreislaufsystems und die Stoffwechselreaktion unter Belastung. Eine Trainingssteuerung mit der Spiroergometrie hilft nicht nur Sportlern, sondern auch Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ihre Fitness zu verbessern.