Hoher Blutdruck ist eine der bedeutsamsten Ursachen für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen. Frauen und Männer unterscheiden sich auch im Auftreten und im Verlauf von kardiovaskulären Erkrankungen. So auch beim Bluthochdruck. Wir lösen auf.
Hoher Blutdruck: gefährlich und oft unentdeckt
Hoher Blutdruck ist eine der bedeutendsten Ursachen für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Nierenschwäche, Demenz, Durchblutungsstörung der Beine, Herzschwäche und andere schwerwiegende Erkrankungen.
Anfangs schleicht er sich oft ein und macht lange wenig oder sogar keine Beschwerden. Eine heimtückische Erkrankung. Salopp gesagt, Blutdruck tut nicht weh, bis er zuschlägt.
Die gute Nachricht: Früh entdeckt, können wir Bluthochdruck oft noch ohne Medikamente in den Griff bekommen. Falls eine medikamentöse Therapie erforderlich wird, stehen uns mittlerweile viele hochwirksame und gut verträgliche Medikamente zur Verfügung. Allerdings müssen wir bei der Behandlung des Bluthochdrucks einige Besonderheiten beachten.
Gibt es geschlechtsabhängige Unterschiede beim Bluthochdruck?
Tatsächlich sind Frauenherzen anders aufgebaut als Männerherzen: das weibliche Herz enthält mehr Muskel- und weniger Bindegewebszellen als Männerherzen, obwohl sie kleiner sind.
Auch die Entwicklung des Blutdruckes unterscheidet sich. Frauen zeigen vor dem 40. Lebensjahr einen flacheren Blutdruckanstieg, dafür aber danach einen deutliche steileren und überholen um das 60. Lebensjahr sogar die Männer.
In der Praxis messen wir bei beiden Geschlechtern eine vergleichbare Pulswellengeschwindigkeit als Maß für die Gefäßversteifung, während bei Frauen oft der sogenannte Augmentationsindex, ein Maß für die Herzbelastung durch den Blutdruck, höher ist.
Bei Frauen kommt es eher zu einer Zunahme des Gefäßwiderstandes, d.h. die Gefäße sind funktionell eng gestellt, durch Störungen der Vasomotorik. Männer zeigen hingegen oft ein erhöhtes Blutvolumen als Ursache für den Bluthochdruck.
Im höheren Alter gleichen sich die Ursachen wieder an, denn bei beiden Geschlechtern versteifen sich die Gefäße und das Herz über die Zeit. Zudem fallen positive hormonelle Einflüsse auf den Blutdruck nach der Menopause weg.
Warum gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede beim Blutdruck?
In den letzten Jahren haben Studien deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern beim Blutdruck aufdecken können. Diese haben hauptsächlich genetische und epigenetische Phänomene untersucht. Soziokulturelle Umstände scheinen ebenfalls eine Rolle zu spielen, wurden jedoch bislang nicht ausreichend untersucht.
Die größte Rolle spielen die geschlechtsspezifischen Hormone. Insbesondere das weibliche Hormon Östrogen besitzt zahlreiche schützende Wirkungen für Herz und Gefäße. Durch die Wirkung auf das Hormonsystem in der Niere, das sogenannte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, steuern Östrogene maßgeblich die Gefäß-und Nierenfunktion. Viele unserer Blutdruckmedikamente wirken darüber. Entsprechend können diese Medikamente auch bei Frauen anders wirken als bei Männern. Zusätzlich sind verschiedene Blutdruckrelevante Rezeptoren auf dem X-Chromosom verortet, d.h. bei Frauen doppelt vorhanden.
Eine besondere Rolle spielt der Bluthochdruck in der Schwangerschaft, der bei Frau das Risiko für Krampfanfälle erhöhen kann.
Brauchen wir eine geschlechtssensible Medizin?
Gerade bei jungen Frauen kommen Probleme mit niedrigem Blutdruck häufiger vor als bei jungen Männern. Das kann außerordentlich unangenehm sein, ist aber für Herz und Gefäße ein wirksamer Schutz. Diese positiven Faktoren fallen während der Wechseljahre langsam weg. Wir wissen, dass diese besondere Übergangsphase weit aus 10 Jahre dauern kann.
Durch die hormonellen Schwankungen kann der Blutdruck plötzlich erhöht sein, aber auch über Jahre schwanken oder langsam ansteigen. Häufig treten hier die größten Probleme auf. Wenn Frauen nur wenige Phasen mit hohem Blutdruck aufweisen, wird zum Beispiel das Standard Blutdruck-Medikament nicht gut vertragen. In den hohen Phasen mag es nicht ausreichen, in den normalen Phasen hat man Probleme mit niedrigem Blutdruck. Häufig werden viele Substanzen ausprobiert, die Wirkung ist nicht zu kalkulieren und Nebenwirkungen sind häufig. Die Frustration der Patientinnen ist groß, zwischen der Angst vor hohen Blutdruckwerten auf der einen und den Unverträglichkeiten auf der anderen Seite.
Die Herausforderung besteht in einer optimierten Blutdruckeinstellung, da Frauen häufiger und schwerer von den Folgeerkrankungen betroffen sind. Geringere Blutdruckerhöhungen sind bereits mit erhöhtem Auftreten von Folgeerkrankungen assoziiert.
Zwar erleiden Männer nach wie vor mehr Herzinfarkte, Frauen sterben aber häufiger daran. Andere kardiovaskuläre Erkrankungen kommen bei Frauen häufiger vor, zum Beispiel Bluthhochdruck, zerebrovaskuläre Erkrankungen wie zum Beispiel Schlaganfall und die diastolische Herzinsuffizienz, d.h. eine Herzschwäche bei erhaltener Herzfunktion.
Fazit
Frauen erleiden häufiger im Rahmen eines Bluthochdrucks Komplikationen.
Aufgrund der unterschiedlichen Kreislaufsituationen bei Frauen in den unterschiedlichen Lebensabschnitten können wir nicht einfach therapeutische Männerstandards auf Frauen übertragen. Vor und nach den Wechseljahren unterscheidet sich die Blutdrucksteuerung zwischen Männern und Frauen maßgeblich.
Mit Hilfe einer intensiven Kreislaufdiagnostik, zum Beispiel mit der Finapres®-Messung, können wir in der Cardiopraxis, eine auf jede Lebensphase abgestimmte Diagnostik und Therapie bei Frauen und Männern einleiten. So können wir besonders bei prä- und perimenopausalen Frauen häufig mit viel geringeren Dosen ACE Hemmer und Betablockern viel bessere Ergebnisse erzielen und vor allem weniger Nebenwirkungen. Gerade für Frauen in den mittleren Lebensjahren ist eine intensive Kreislaufdiagnostik entscheidend!
Literatur
- Seeland U, Regitz-Zagrosek V. Sex and gender differences in cardiovascular drug therapy. Handb Exp Pharmacol. 2012;(214):211-36.
- Seeland U, Demuth I, Regitz-Zagrosek V, Steinhagen-Thiessen E, König M. Sex differences in arterial wave reflection and the role of exogenous and endogenous sex hormones: results of the Berlin Aging Study II. J Hypertens. 2020 Jun;38(6):1040-1046.