Bluthochdruck ist eine häufige Komplikation in der Schwangerschaft. Besonders die Präeklampsie kann unbehandelt schwerwiegende Folgen für Mutter und Kind haben. Doch was genau versteht man unter einer Präeklampsie und wer sollte wann und wie vorbeugen?
Bluthochdruck in der Schwangerschaft ist ein ernstzunehmendes Thema, das bei etwa 5-10% aller Schwangerschaften auftritt. Eine besondere Form stellt dabei die Präeklampsie dar, die unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikationen für Mutter und Kind führen kann. In diesem Artikel möchten wir von Cardiopraxis® Ihnen erläutern, was eine Präeklampsie ist, welche Risikofaktoren es gibt und wie man das Risiko dafür mit der Einnahme von niedrig-dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) senken kann.
Was ist eine Präeklampsie in der Schwangerschaft?
Der Begriff „Präeklampsie“ leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet „vor dem Krampfanfall„. Dies beschreibt treffend das Krankheitsbild, bei dem es zu Bluthochdruck und Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie) nach der 20. Schwangerschaftswoche kommt und im schlimmsten Fall Krampfanfälle auftreten können.
Die genaue Definition einer Präeklampsie lautet:
- Blutdruck ≥ 140/90 mmHg bei zwei Messungen im Abstand von mindestens 4 Stunden
- Proteinurie ≥ 300 mg/24h oder ≥ 30 mg/mmol Protein-Kreatinin-Ratio im Spontanurin
- Auftreten nach der 20. Schwangerschaftswoche
Welches Risiko besteht durch eine Präeklampsie in der Schwangerschaft?
Für Mutter und Kind besteht bei einer Präeklampsie ein erhöhtes Risiko für schwere Komplikationen wie vorzeitige Plazentalösung, Schlaganfall, Organversagen oder Frühgeburt. In seltenen Fällen (0,5%) kann eine Präeklampsie in eine lebensbedrohliche Eklampsie mit Krampfanfällen übergehen. Ein HELLP-Syndrom (Hemolysis, Elevated Liver Enzymes, Low Platelets) mit Hämolyse, erhöhten Leberenzymen und niedrigen Blutplättchen tritt bei 10-20% der Frauen mit schwerer Präeklampsie auf.
Insgesamt entwickeln etwa 2-8% aller Schwangeren eine Präeklampsie, wobei Erstgebärende häufiger betroffen sind.
Zu den Risikogruppen zählen Frauen mit:
- Präeklampsie in einer vorherigen Schwangerschaft
- Chronischer Bluthochdruck
- Vorbestehender Nierenerkrankung
- Diabetes mellitus
- Antiphospholipid-Syndrom
- Alter ≥ 40 Jahre
- BMI ≥ 35 kg/m2
- Mehrlingsschwangerschaft
Was ist ein Präeklampsie-Screening im 1. Trimenon der Schwangerschaft?
Zur Bestimmung des individuellen Präeklampsie-Risikos hat sich ein Screening im ersten Schwangerschaftsdrittel bewährt. Dabei werden Anamnese, mittlerer arterieller Blutdruck, mütterliche Serummarker (PAPP-A, PlGF) und die Dopplersonografie der Gebärmutterarterien kombiniert. So können 90% der Frauen, die eine frühe Präeklampsie vor der 34. Woche entwickeln, identifiziert werden.
Die International Federation of Gynecology and Obstetrics (FIGO) empfiehlt, das kombinierte Screening jeder Schwangeren anzubieten.
Das Präeklampsie-Screening im ersten Trimester (11.-14. SSW) ist allerdings kein verpflichtender Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge bei Schwangeren in Deutschland, sondern ein zusätzliches Angebot. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen, auch nicht bei Vorliegen von Risikofaktoren. Privatversicherte bekommen die Kosten meist erstattet. Gesetzlich-versicherte Frauen können die Leistung als Selbstzahler wahrnehmen, die Kosten liegen bei bis zu 200 Euro.
Warum entsteht bei der Präeklampsie ein Bluthochdruck?
Bei der Entstehung einer Präeklampsie mit Bluthochdruck spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:
Gestörte Plazentaentwicklung: Es wird vermutet, dass Probleme bei der Entwicklung und Funktion der Plazenta (Mutterkuchen) zu einer Verengung der Blutgefäße führen. Dadurch entsteht Bluthochdruck bei der Schwangeren.
Entzündung in der Plazenta: In der Plazenta kommt es zu einer Entzündungsreaktion. Dabei werden Botenstoffe wie sFlt-1 freigesetzt, die die Innenschicht der Blutgefäße (Endothel) im ganzen Körper schädigen können. Das führt zu einem erhöhten Gefäßwiderstand und folglich zu einem Bluthochdruck.
Ungleichgewicht von Fettsäuren: Normalerweise halten sich entzündungsfördernde Omega-6-Fettsäuren (zum Beispiel Arachidonsäure) und entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) die Waage. Bei einem Ungleichgewicht zugunsten der Omega-6-Fettsäuren entstehen vermehrt Stoffe (Eicosanoide), die Entzündungen und Blutgerinnung begünstigen.
Überaktives Blutdrucksystem: Das Renin-Angiotensin-System reguliert den Blutdruck. Bei Präeklampsie ist es möglicherweise übermäßig aktiv und trägt so zum Bluthochdruck bei.
Insgesamt führen diese Faktoren zu einer Fehlfunktion der Blutgefäße (endotheliale Dysfunktion) im ganzen Körper der Schwangeren. Dadurch steigt der Blutdruck an und es kann zu weiteren Organschäden kommen.
Welche Bedeutung hat Acetylsalicylsäure (ASS) und wie wird ASS in der Medizin eingesetzt?
Acetylsalicylsäure (ASS), besser bekannt als Aspirin®, ist ein schmerzstillendes, fiebersenkendes und entzündungshemmendes Medikament, das zur Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) gehört. Darüber hinaus wird ASS in niedriger Dosierung zur Hemmung der Blutgerinnung eingesetzt, z.B. nach Herzinfarkt oder Schlaganfall.
ASS wirkt über eine irreversible Hemmung Cyclooxygenase-1 und Cyclooxygenase-2 (COX-1 und COX-), die als Enzyme an der Bildung von Prostaglandinen und Thromboxan aus Arachidonsäure beteiligt sind. Während für die Schmerz- und Entzündungshemmung höhere Dosen (500-1000 mg) nötig sind, reichen für die Thrombozytenaggregationshemmung (Hemmung der Verklumpung von Blutplättchen) über COX-1 bereits niedrige Dosen von 100 mg aus.
Im Gegensatz zu anderen NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac ist die COX-Hemmung durch ASS irreversibel und nicht COX-2-selektiv.
Verringert niedrig-dosierte Acetylsalicylsäure das Risiko für eine Präeklampsie?
Ja, die vorbeugende Einnahme von ASS in einer Dosierung von 100-150 mg pro Tag kann das Präeklampsie-Risiko deutlich senken. Laut aktueller Metaanalyse von 77 Studien mit über 36.000 Schwangeren reduzierte ASS die Präeklampsie-Rate von 9,3% auf 7,7% (relatives Risiko 0,82). Auch die Frühgeburtenrate und perinatale Sterblichkeit waren unter ASS-Einnahme niedriger.
Wer sollte bei einer Risiko-Schwangerschaft Acetylsalicylsäure einnehmen?
Gemäß Leitlinien sollten Sie bei folgenden Risikofaktoren die vorbeugende Einnahme von ASS mit Ihrem Frauenarzt besprechen:
- Präeklampsie in einer vorausgegangenen Schwangerschaft
- Chronischer Bluthochdruck
- Vorbestehende Nierenerkrankung
- Diabetes mellitus
- Antiphospholipid-Syndrom
- Alter ≥ 40 Jahre
- BMI ≥ 35 kg/m2
- Mehrlingsschwangerschaft
- Präeklampsie-Risiko ≥ 1:100 im Ersttrimester-Screening
Ab wann, in welcher Dosierung und wie lange sollte niedrig-dosierte Acetylsalicylsäure bei einer Risikoschwangerschaft eingenommen werden?
Laut Studienlage ist der vorbeugende Effekt am größten, wenn mit der ASS-Einnahme vor der 16. Schwangerschaftswoche begonnen wird und diese bis zur 36. Woche fortgeführt wird. Die empfohlene Dosierung beträgt 100-150 mg pro Tag, vorzugsweise abends ist laut Studienlage nicht mit einem erhöhten Risiko für Mutter und Kind verbunden.
Voraussetzung ist, dass ASS von Frauen mit einem erhöhten Eklampsierisiko eingenommen wird. Für Frauen ohne erhöhtes Eklampsierisiko gibt es keine Empfehlung zur Einnahme. Höhere Dosen bringen keinen zusätzlichen Nutzen, erhöhen aber das Blutungsrisiko.
Welche zusätzlichen Vorteile hat die Einnahme von niedrig-dosierter Acetylsalicylsäure bei einer Risikoschwangerschaft?
Neben der Senkung des Präeklampsie-Risikos bei Risikopatientinnen kann die ASS-Einnahme auch folgende positive Effekte haben:
- Verringerung des Risikos für fetale Wachstumsverzögerung um 44%
- Reduktion der Frühgeburtenrate vor 34. Woche um 50%
- Senkung der perinatalen Sterblichkeit um 21%
- Abnahme des Risikos für spontane Frühgeburt um 11%
Mit wem muss ich die Einnahme von niedrig-dosierter Acetylsalicylsäure während der Schwangerschaft besprechen?
Die Entscheidung für eine vorbeugende ASS-Einnahme in der Schwangerschaft sollten Sie unbedingt mit Ihrem betreuenden Frauenarzt abstimmen, der Erfahrung beim Präeklampsie-Screening hat. Nur so kann anhand Ihrer persönlichen Risikofaktoren und Vorerkrankungen der mögliche Nutzen individuell abgewogen werden. Auch über Nebenwirkungen wie ein gering erhöhtes Blutungsrisiko sollten Sie aufgeklärt werden.
Niedrig-dosierte Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) in der Schwangerschaft – Eine Option, die Sie bei erhöhtem Risiko für eine Präeklampsie nutzen sollten
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Präeklampsie eine ernstzunehmende Erkrankung einer Schwangerschaft ist, die unbehandelt Mutter und Kind gefährden kann.
Mit der frühzeitigen Einnahme von niedrig-dosierter Acetylsalicylsäure (100-150 mg/Tag) kann bei Risikoschwangerschaften das Präeklampsie-Risiko um bis zu 18% gesenkt werden. Zusätzlich verringert die ASS-Prophylaxe das Auftreten von Wachstumsverzögerung, Frühgeburt und perinataler Sterblichkeit.
Wenn auch Sie Risikofaktoren für eine Präeklampsie aufweisen, sprechen Sie Ihren betreuenden Frauenarzt unbedingt auf die Möglichkeit einer ASS-Einnahme an. Im Zweifel führen Sie innerhalb der ersten 12 Wochen der Schwangerschaft ein Präeklampsie-Screening durch.
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