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Chronische Nierenschwäche – oft unbemerkt und zu spät erkannt
In Deutschland sind rund sechs Millionen Menschen von einer Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) betroffen. Mehr als 60.000 Patienten sind dialysepflichtig. Da wir beim Nachlassen der Nierenfunktion keine Schmerzen verspüren, wird die Nierenschwäche oft erst spät erkannt. Das kann dann für Betroffene schwerwiegende Folgen haben, weil besonders häufig tödliche Herz-Kreislauferkrankungen auftreten. So sterben die meisten Patienten mit einer Nierenerkrankung nicht an den Folgen der Nierenschwäche, sondern an einem Herzinfarkt und plötzlichen Herztod. Das heißt: Nierenkranke haben ein 30% erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen und ein um 22% erhöhtes Sterberisiko.
Chronische Nierenschwäche betrifft den ganzen Körper
Die chronische Nierenschwäche mindert die Fähigkeit, das Blut zu filtrieren und zu entgiften. Die Nieren sind aber mehr als nur ein Ausscheidungsorgan. Sie regulieren den Salz- und Säure-Basen-Hauhaushalt und tragen zur Blutbildung bei. Ebenso spielen sie eine große Rolle im Knochen (aktives Vitamin D) – und Eiweißstoffwechsel. Wir sehen dann infolge der Nierenschwäche sehr komplexe Veränderungen im Stoffwechsel mit toxischen Organschäden durch die retinierten harnpflichtigen Stoffe (unter anderem Creatinin und Harnstoff) und bedrohliche Herzrhythmusstörungen durch einen zu hohen Kaliumspiegel. Die Übersäuerung des Blutes trägt außerdem zum erhöhten Kaliumspiegel bei und fördert den Eiweißkatabolismus. Auch wird hierdurch der Knochenstoffwechsel gestört. Weiterhin sind Blutarmut, Bluthochdruck oder die Verschlechterung eines vorbestehenden Bluthochdruckes gravierende Folgen.
Schweregrad der Nierenschwäche
Das Ausmaß der chronischen Nierenschädigung wird nach der Abnahme der Filtrierleistung in 5 Stadien eingeteilt. Unter der Filtrierleistung der Niere verstehen wir die Menge an Primärharn, die in einer Minute aus dem Blut filtriert wird (ca 180 Liter pro Tag). Sie wird als Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bezeichnet. Da die Nierenschwäche auch zu einer Ausscheidung von Eiweißen im Harn (Proteinurie) führt, können wir die Eiweißmenge als zusätzlichen Parameter für die Nierenschädigung hinzuziehen. Dabei kommt es mit Abnahme der GFR und Zunahme der Proteinurie zu einem linearen Anstieg der kardiovaskulären Sterblichkeit. Patienten im Stadium 5 der Nierenschwäche haben ein höheres Risiko an einer Herz-Kreislauferkrankung zu versterben als dialysepflichtig zu werden.
Traditionelle Risikofaktoren im frühen Stadium der Nierenschwäche
Die Nierenfunktion nimmt im Laufe unseres Lebens ab. Diese Abnahme der Nierenfunktion entsteht durch eine Kombination von physiologischen Alterungsprozessen und durch die mit dem Alter zunehmende Häufigkeit von Krankheiten, die zur Entwicklung von arteriosklerotischen Veränderungen beitragen und damit eine Progression der Nierenschwäche selbst vorantreiben. Die häufigste Krankheit, die ursächlich zu einer chronischen Niereninsuffizienz führt, ist ein Diabetes mellitus (30-40% der Patienten), dicht gefolgt von der arteriellen Hypertonie (20% der Fälle).
Chronische Nierenschwäche als „Brandbeschleuniger“ für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Gefäßverkalkung
Schreitet die Nierenschwäche fort, dann können die oben beschriebenen klassischen Risikofaktoren nicht mehr allein das hohe Risiko für Tod und Herz-Kreislauf-Ereignisse erklären. Im fortgeschrittenen Stadium müssen Sie sich die Nierenschwäche dann wie einen „Brandbeschleuniger“ vorstellen. Durch kalzifizierende Faktoren wie überschüssiges Phosphat im Blut, Entzündungen sowie Urämietoxine (schädliche Harnbestandteile) kommt es zu einer Verkalkung der Blutgefäße. Diese betrifft sowohl die Gefäßinnenschicht als auch typischerweise die Muskelschicht der Blutgefäße. Letzteres führt zu einer erhöhten Gefäßsteifigkeit und damit Hypertonie. Verkalkungen treten aber auch an Herzklappen und im Herzmuskel selbst auf.
Urämietoxine
Sind die Nieren nicht mehr in der Lage, harnpflichtige Substanzen mit dem Harn auszuscheiden, entsteht durch die unzureichende Reinigung des Blutes eine Harnvergiftung durch schädliche Harnbestandteile. Wir sprechen dann von sogenannten Urämietoxinen. Urämietoxine, aber auch veränderte Lipoproteine, interagieren direkt mit verschiedenen Zellen des Immunsystems und bewirken die Ausschüttung von pro-entzündlichen Botenstoffen. Diese führen u.a. zu einer Entzündungsreaktion der Blutgefäße, so dass die Entstehung atherosklerotischer Prozesse begünstigt wird. Auch konnte in klinischen Studien für einige Urämietoxine ein Zusammenhang zwischen der Höhe ihrer Serumkonzentrationen und kardiovaskulären Ereignissen bzw. der Sterblichkeit nachgewiesen werden.
Urämische Dyslipidämie
Eine weitere Besonderheit ist die urämische Dyslipidämie. Hierunter verstehen wir eine strukturelle und funktionelle Veränderung des HDL- und LDL-Cholesterins. Interessanterweise verliert das HDL -Cholesterin bei Patienten mit Nierenerkrankung nicht nur seine gefäßschützenden Eigenschaften, sondern verwandelt sich in ein gefäßschädigendes Partikel. Dementsprechend sind bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion höhere HDL- Cholesterin-Plasmaspiegel nicht mit einer verringerten, sondern sogar mit einer höheren Sterblichkeit verbunden. Ebenfalls wirkt LDL-Cholesterin bei Nierenkranken viel stärker pro-atherogen. Es induziert dann wie das veränderte HDL-Cholesterin eine Störung der Gefäßfunktion (endotheliale Dysfunktion) und bewirkt eine Gerinnungsaktivierung.
Fazit für die Praxis
Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen die Haupttodesursache bei Patienten mit Niereninsuffizienz dar. Das kardiovaskuläre Risiko steigt mit abnehmender Nierenfunktion linear an. Klassische und nierenspezifische Risikofaktoren sind an der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen beteiligt und fördern die Progression der Nierenschwäche selbst. Eine entscheidende Rolle in der Betreuung von Patienten mit Nierenerkrankung spielt deshalb die kardiovaskuläre Primär- und Sekundärprävention.
Literatur
- KDIGO (2013) 2012 clinical practice guideline for the evaluation and management of chronic kidney disease. Kidney Int Suppl 3:1-150
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- Turin TC, et al. Chronic kidney disease and life expectancy. Nephrol Dial Transplant. 2012;27(8):3182-3186.
- Wanner C, Tonelli M. Kidney Disease (2014) KDIGO Clinical Practice Guideline for Lipid Management in CKD: summary of recommendation statements and clinical approach to the patient. Kidney Int 85:1303-1309
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