Die chronische Herzschwäche ist der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung. Die Prognose ist ernst, das Sterberisiko höher als bei vielen Krebserkrankungen. Ein ursprünglich gegen Diabetes entwickeltes Medikament verbessert zusätzlich zu der etablierten Herzinsuffizienz-Therapie die Prognose. Wir stellen die neue Therapiesäule mit den sogenannten SGLT2-Hemmern vor.
Chronische Herzinsuffizienz ist häufig
In Deutschland leben nach Expertenschätzungen bis zu 4 Millionen Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz (Herzschwäche). Herzinsuffizienz ist der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen. Jedes Jahr müssen rund 465.000 Patienten im Krankenhaus behandelt werden. Das Sterberisiko ist höher als bei vielen Krebserkrankungen: fast 40.000 Menschen sterben jährlich an Herzschwäche.
Die Herzinsuffizienz ist häufig Folge und das Endstadium vieler anderer Herz-Kreislauferkrankungen, deren Häufigkeit ebenfalls zunimmt.
Neues Diabetesmedikament zur Behandlung von Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion
SGLT2-Hemmer wurden ursprünglich zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt und eingesetzt.
SGLT2 ist ein Natrium (Sodium)-Glukose-Cotransporter in der Niere, der für 90% der Glukose-Rückresorption in der Niere verantwortlich ist. Neben Glukose wird zusätzlich auch Natrium rückresorbiert. Die selektive Hemmung des Natrium-Glukose-Cotransporters-2 in der Niere führt daher zu einer reduzierten Glukose -und Natrium-Rückresorption. Hierdurch kommt es speziell bei erhöhten Blutzuckerwerten zu einer vermehrten Glukose- und Natriumausscheidung. Zusätzlich kommt es zu einer entwässernden Wirkung durch eine osmotisch bedingte Wasserausscheidung.
Diese diuretischen (entwässernden) Effekte führen durch eine Abnahme des Blutvolumens zu einer verminderten Volumenbelastung für das Herz. Darüber hinaus werden positive Effekte auf den Stoffwechsel des Herzens angenommen. So sollen die SGLT2-Hemmer über einen Anstieg von Ketonkörpern zu einer erhöhten ATP-Bildung (=Adenosintriphosphat, Hauptenergiespeicher der Zellen) und dadurch zu einem verbesserten Energiestoffwechsel im Herzen führen. Zudem sollen sie auch die ungünstige Fibrosebildung und die Herzwandverdickung reduzieren.
SGLT2-Hemmer verbessern die Prognose der Herzschwäche unabhängig von Diabetes
Der Einsatz von SGLT 2-Hemmern bei der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion („heart failure with reduced ejection fraction“, kurz HFrEF), bei der die Pumpkraft des Herzmuskels vermindert ist, wurde in zwei Studien untersucht.
Die EMPEROR-Reduced-Studie (2020) mit Empagliflozin und die DAPA-HF-Studie (2019) mit Dapagliflozin belegten eindrucksvoll, dass bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion die SGLT 2-Hemmer ungünstige kardiovaskuläre Ereignisse signifikant reduzieren konnten. So wurde das Risiko für kardiovaskulären Tod oder Hospitalisierung (Krankenhausaufnahme) signifikant um 25% gesenkt. Und zwar unabhängig davon, ob die Patienten einen Diabetes hatten oder nicht. Das Risiko für erste und wiederholte Krankenhausaufenthalte aufgrund einer Herzschwäche wurde zudem um 30% verringert.
Therapiesäulen der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion
Beide Substanzen sind mittlerweile in den aktuellen ESC (European Society of Cardiology)-Leitlinien 2021 als fester Bestandteil der Herzinsuffizienz-Therapie verankert. Somit stehen für die Behandlung der Herzschwäche mit reduzierter Pumpkraft (EF < 40%) vier Therapiesäulen zur Verfügung: ACE-Hemmer bzw. Sacubitril/Valsartan, Betablocker, Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten und SGLT2-Inhibitoren.
Anwendung von SGLT2-Hemmern im klinischen Alltag: sicher und gut verträglich
Die SGLT2-Hemmer werden einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Prinzipiell können sie zu jeder Tageszeit eingenommen werden. Wegen des entwässernden Effektes empfehlen wir die Einnahme besser morgens.
Durch fehlende Interaktionen mit den abbauenden Enzymsystemen, z.B. dem CYP450-System, können wir die SGLT2-Hemmer speziell mit anderen Herz-und Diabetes-Medikamenten (z.B. Digoxin, Ramipril, Simvastatin,Diuretika, Metformin) gut und sicher kombinieren.
Oft besteht bei den herzkranken Patienten parallel eine Nierenschwäche. Auch hier bringen die SGLT2-Hemmer protektive Effekte für die Nierendurchblutung mit sich und dürfen bei fortgeschrittener Nierenschwäche bis zu einer glomulären Filtrationsrate von 20 ml/min/1,73 m2 eingenommen werden. Anfangs kann es durch eine Senkung des Filtrationsdrucks in der Niere, was durchaus als nephroprotektiv zu werten ist, zu einem leichten Abfall der glomulären Filatrationsrate kommen. Daher ist zu Anfang eine regelmäßige Kontrolle der Nierenwerte sinnvoll.
Auch wenn das Medikament anfangs als Diabetesmedikament entwickelt wurde, kommt es bei Nicht-Diabetes-Patienten zu keinen relevanten Hypoglykämien (Unterzuckerung).
Im Rahmen der vermehrten Glukoseausscheidung über den Urin sind häufig Frauen von Harnwegsinfekten bzw. genitalen Infektionen betroffen. Meistens reicht es aus, auf eine sorgfältige Hygiene zu achten.
Literatur:
- Packer M et al: Cardiovascular and Renal Outcomes with Empagliflozin in Heart Failure. N Engl J Med 2020; 383:1413-1424
- McMurray JJV, Solomon SD, Inzucchi SE et al.: Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2019; 381: 1995-2008
- 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: Developed by the Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) With the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC, European Heart Journal, Volume 42, Issue 36, 21 September 2021, Pages 3599–3726