Viele Menschen gehen im Alltag ungesund. Aktives richtige Gehen mit muskulärer Körperspannung ist gesund, schützt vor akuten und chronischen Erkrankungen Ihres Körpers und bringt mehr Lebensfreude in Ihren Tag. Hier erfahren Sie mehr.
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Die meisten von uns haben ein gesundes Gehen verlernt, was mit verringerter körperlicher Aktivität und dem Tragen von Schuhen verbunden ist. Wenn Sie nicht richtig Gehen, dann gefährden Sie Gelenke, Sehnen und Muskeln. So kommt es zu unnötigen Verletzungen und Verschleißerscheinungen, die sich nicht nur auf Ihre körperliche, sondern durch eingeschränkte Beweglichkeit und Schmerzen auch auf Ihre Alltagstauglichkeit auswirken.
In der Cardiopraxis befassen wir uns vor allen Dingen mit dem richtigen Gehen, weil wir durch objektive Muskeltests häufig feststellen, dass bei vielen Menschen gerade die Muskelkraft am Körperstamm eingeschränkt ist. Neben einer Einschränkung der Atemmuskelkraft hat auch die Körperspannung einen erheblichen Einfluss auf den Rückstrom vom venösen Blut zurück zum Herz und damit auf die Ihren Kreislauf und folglich auch auf Ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
Im Folgenden erfahren Sie einige Aspekte dazu, was beim Gehen häufig falsch gemacht wird und wie Sie mit ein bisschen Konzentration und Übung Ihr eigenes Gehen verbessern können.
Warum gehen Menschen auf 2 Beinen?
Hominiden, der Mensch und seine Vorfahren gehen seit circa 7,2 Millionen Jahren auf 2 Beinen. Zwar haben sich schon vor den Hominiden andere Lebewesen auf 2 Beinen bewegt, zum Beispiel der Tyrannosaurus Rex, aber gerade für die Hominiden war der aufrechte zweibeinige Gang ein entscheidender evolutionsbiologischer Entwicklungssprung. Nicht nur verschaffte es den Hominiden in der Savanne im Angesicht drohender Gefahren durch Raubtiere mehr Überblick, sondern erlaubte auch während der Fortbewegung die Nutzung der Hände. Die Hände, die durch die Möglichkeit der Oppositionsstellung des Daumens besonders geschickt genutzt werden konnten, wurden so zum Tragen von Lasten und zum Jagen einsetzbar.
Bis vor circa 30.000 Jahren waren Menschen Barfußläufer. Erst seit dieser Zeit tragen Menschen Schuhe. Folglich ist evolutionsbiologisch der Barfußgang der natürliche Gang. Wer schon einmal erlebt hat, wie schnell und sicher Menschen barfuß über jeden noch so rauen Untergrund gehen können, der kann das nachvollziehen.
Der einzige und entscheidende Vorteil von Schuhen ist der Schutz vor mechanischen und thermischen Verletzungen. Ansonsten haben Schuhe zahlreiche Nachteile, weil sie anderweitig zu einem traumatischen Gehen verleiten, im Wesentlichen durch eine Verringerung der Muskelkraft vom Fuß bis zum Körperstamm, was wiederum mit Verletzungen der Muskulatur und Sehnen sowie einem Verschleiß der Gelenke verbunden ist.
Was ist der Unterschied zwischen Gehen und Laufen?
Gehen und Laufen dienen der lokomotorischen Vorwärtsbewegung des Menschen. Durch Laufen bewegen Sie sich in der Regel schneller vorwärts als durch Gehen. Gehen und Laufen unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt:
- Laufen = lokomotorische Vorwärtsbewegung auf zwei Beinen MIT Flugphase = beide Beine zu einem Zeitpunkt in der Luft
- Gehen = lokomotorische Vorwärtsbewegung auf zwei Beinen OHNE Flugphase = ein Bein immer mit Bodenkontakt
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf das Gehen, können aber zum Teil auch auf das Laufen übertragen werden. Ausgangspunkt für die Betrachtungen ist das Barfußgehen als Grundlage für ein natürliches und gesundes Gehen.
Passives Gehen mit der Schwerkraft – Risiko für Erkrankungen
Viele Menschen gehen muskulär passiv und riskieren damit akute und chronische Störungen von Knochen, Muskeln und Sehnen.
Merkmale des passiven Gehens sind:
- Oberkörper zu weit nach vorne geneigt (= Überaktivität hintere Rumpf- und Beinmuskulatur)
- Oberkörper ist nicht ausreichend gestreckt (= zu große Krümmung der Wirbelsäule)
- Auslenkung im Hüftgelenk ist zu gering
- Unterschenkel wird aus dem Kniegelenk von hinten nach vorne „geschleudert“
- Schwungbein wird ohne muskuläre Vorspannung mit der Schwerkraft aufgesetzt (= fehlende Abfederung)
- bei schnellen Schritten sind Schritte häufig zu lang und der Schwungfuß wird zu stark mit der Hacke aufgesetzt (= Erschütterung des Körpers = hohe mechanische Belastung)
- Handinnenflächen weisen nach hinten
Ziele eines gesunden Gehens im Alltag
Aktives gesundes Gehen bewirkt:
- Muskelaufbau von den Füßen bis zum Körperstamm
- Konditionszuwachs durch Nutzung zahlreichen Muskelgruppen
Aktives gesundes Gehen vermeidet:
- Akute Verletzungen
- Sprunggelenk, Kniegelenk, Hüftgelenk, Wirbelsäule
- muskuläre Verspannungen bis zu Muskelfaserrissen
- Sehnenreizungen bis zu Sehnenrissen, zum Beispiel Fersensporn und Plantarfasziitis
- Chronische skelett-muskulären Erkrankungen
- Fehlstellungen
- Knorpelschäden
- Wirbelsäulenleiden
- Kopfschmerzen
Aktives gesundes Gehen im Alltag
Das Bewegungsmuster entspricht dem Gehen ohne Schuhe, dem Barfußgehen, was Sie auch mit Schuhen praktizieren sollten.
Oberkörper aufrecht und leicht angespannt
Ihr Kopf sollte leicht zum Himmel schweben, so richtet sich der Oberkörper sanft und mühelos auf. Und ihr Becken sinkt zur gleichen zeit schwer mit dem Kreuzbein zu Ihren Fersen, so reduziert sich Ihr Hohlkreuz sanft und das Becken findet seine stabile Mitte.Dadurch richtet sich Ihr Körper automatisch auf und Sie gehen gerade in der Körpermitte. Die sanfte Streckung der Wirbelsäule beugt Schmerzen in der Wirbelsäule „so ganz nebenbei“ effektiv vor.
Vorwärtsbewegung des Schwungbeins aus dem Hüftgelenk
Bei der Vorwärtsbewegung beugen Sie zuerst das Hüftgelenk und gleichzeitig leicht das Kniegelenk. So heben Sie den Oberschenkel und bewegen das Schwungbein nach vorne. Erst dann strecken Sie das Knie leicht nach vorne. Die Hauptbewegung nach vorne sollte aus dem Hüftgelenk kommen, das Kniegelenk bleibt vor allen Dingen im Vergleich zum passiven Gehen relativ gerade.
Schrittlänge möglichst kurz
Die Schrittlänge sollte möglichst kurz sein, denn je näher der Schwungfuß an der vertikalen Körperachse aufsetzt, desto besser können Sie den Schritt kontrolliert abfedern. Das bedeutet, dass Sie beim Aufsetzen des Fußes traumatische Schockwirkungen in Ihrem Körper und damit Verletzungen vermeiden.
Je länger die Schrittlänge ist desto höher ist das Risiko, dass Sie mit der Ferse hart auf dem Boden aufsetzen. Gerade das Tragen von Schuhen verführt Sie hier zu einem traumatischen Gehen über die Hacke.
Aufsetzen des Schwungbeines mit muskulärer Vorspannung
Das Schwungbein sollten Sie mit muskulärer Vorspannung des Beines aufsetzen. Sie vermeiden damit, dass Sie mit Ihrem Körpergewicht und mit Schwerkraft passiv auf den aufsetzende Schwungfuß fallen, was besonders schädigend wirkt. Gehen Sie beschwingt, so als wären Sie guter Laune oder hörten Tanzmusik, die Sie lieben.
Ersten Bodenkontakt Schwungbeinfußes nach vorne verlagern
Landen Sie auf der Ferse ganz leise und sanft, was den Charkater eines Vorwärtsschreitens hat. Das bedeutet, dass Sie den Schwungfuß in einem Bereich zwischen vordere Ferse und Vorfuß aufsetzen.
Wenn der Vorfuß beim Abrollen landet, dann landen Großzehen- und Kleinzehenballen zur gleichen Zeit. Der Abdruck erfolgt dann über den zweiten Zeh gerade nach vorne.
Arme unterstützen den aktiven Gang
Beim aktiven Gehen unterstützt die Armbewegung Ihren Gang. Dabei wird in Beziehung zum Schwungbein der Arm der anderen Seite mit dem Schwungbein nach vorne bewegt, das heißt zum Beispiel rechte Bein und linker Arm gleichzeitig nach vorne. Die Handinnenflächen weisen immer nach innen.
Richtiges Gehen barfuß trainieren – üben übt
Aktives Gehen erfordert für die meisten von uns am Anfang eine Umstellung, das heißt Sie müssen es bewusst üben; später führen Sie das Bewegungsmuster dann selbstverständlich unbewusst aus.
Bei Beschwerden in den Füßen sollten Sie zuerst Ihre Füße trainieren (Spiraldynamik®) und mit dem Barfußgehen erst dann beginnen, wenn Sie beschwerdefrei barfuß gehen können. Haben Sie keine Schmerzen beim Barfußgehen, dann steigern Sie die Gehzeiten sehr langsam über ein halbes Jahr – solange brauchen Knochen, Sehnen und Muskeln, um sich an die ungewohnte Belastung zu gewöhnen.
Gerade am Anfang ist es hilfreich, wenn Sie mal auf einem festen und glatten Untergrund barfuß gehen. Gerade das Barfußgehen bewirkt in der Regel ein natürliches gesundes Gehen. Wenn Sie dann auch mal auf einem etwas raueren Untergrund, zum Beispiel auf rauem Asphalt gehen, dann werden Sie merken, dass Sie automatisch muskulär mehr anspannen, Ihre Schritte kürzer werden und Sie das Aufsetzen mit der Ferse vermeiden.
Achten Sie dabei darauf, dass Sie nicht zu stark über den Vorfuß abrollen, um eine zu starke Belastung der Vorfußgelenke zu vermeiden. Wer nicht mit nackten Fußsohlen gehen will, der kann eine Roll-up Sandale selbst herstellen und so ein sehr gutes Barfußgefühl erzielen.
Gerade auf längeren Gehstrecken im Alltag, zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit können Sie aktives Gehen (natürlich auch mit Schuhen) üben. Dabei sollten Sie natürlich auch auf die reine Nasen-Zwerfellatmung in den Bauch achten,
Später, wenn Sie sich dann sicher fühlen, können Sie auch Schwunggewichte an Händen und Beinen einsetzen, um Ihren Körper weiter muskulär zu stärken. Schwunggewichte sind im Internethandel erhältlich. Gerade Männer sollten darauf achten, dass die Gewichte nicht zu schwer wählen. „Kontrollierte Offensive“ (Otto Rehagel) heißt hier das richtige Stichwort.
Vorteile eines aktiven Gehens mit Körperspannung
- mehr Kraft im Körperstamm
- mehr Beweglichkeit im Körperstamm
- verbesserter Blutkreislauf (venöser Rückstrom)
- weniger oder gar keine Gelenk- und Muskelprobleme
- geringere Verletzungsanfälligkeit bei Stürzen
- mehr Freude am Leben
Herzlichen Dank an Markus Majer für die detaillierte professionelle Überarbeitung des Manuskriptes. Siehe auch: https://www.physiotherapie-werther.de/
Literatur und Links
- Del Pozo Cruz B et al. Prospective associations of daily step counts and intensity with cancer and cardiovascular disease incidence and mortality and all-cause mortality. JAMA Intern Med. Published Sept 2022. doi:10.1001/jamainternmed.2022.4000
- DeSilva J. First steps: how walking upright made us human. William Collins 2021
- Lieberman E. What We Can Learn About Running from Barefoot Running – An Evolutionary Medical Perspective. Exercise and Sport Sciences Reviews 2012;40:63-72
- Majer, Markus 2022 in https://www.welt.de/sport/fitness/plus240853399/Fitness-Gesund-Laufen-Je-laenger-der-Schritt-desto-kritischer-wird-es.html
- O’Mara S. In praise of walking: a new scientific explanation. WW Norton & Co 2020