Blutfluss in den Venen – Bedeutung für den Kreislauf häufig unterschätzt
Ihr Blut muss, nachdem es vom linken Herz aus über die Arterien das Körpergewebe erreicht hat, wieder zum rechten Herzen zurück. Nur so kann ein gesunder und leistungsfähiger Kreislauf aufrecht erhalten werden. Hierfür sind vor allen Dingen Ihre Beinmuskeln, die Muskeln des Beckenbodens und des Körperstamms, das Zwerchfell und das Herz wichtig. Anders gesagt, was für den arteriellen Kreislauf das Herz im Wesentlichen alleine leistet, wird beim venösen Rückstrom von verschiedenen Muskelgruppen übernommen.
Die Bedeutung des venösen Rückstroms wird von den meisten Menschen unterschätzt, auch von Ärztinnen und Ärzten.
Blutfluss in den Venen – wichtig für einen gesunden Kreislauf
Im Gegensatz zum arteriellen Einstrom vom Herzen zu den verschiedenen Organen, ist der venöse Rückstrom ein komplexerer und damit auch ein störanfälligerer Vorgang. Gerade beim vermeintlich ruhigen Stehen ist der Rücktransport von venösem Blut zum Herzen gegen die Schwerkraft ein große Herausforderung an Ihren Körper. Bedenken Sie, dass die Strecke von der Großzehe bis zum rechten Anteil des Herzens ca. 4/7 Ihrer Körperlänge beträgt. Es geht also ordentlich gegen die Schwerkraft bergauf.
Ziel des venösen Rückstroms ist es, dem rechten Herz genug Blutvolumen zum Pumpen anzubieten, so dass das sauerstoffarme venöse Blut an die Lunge weitergeleitet werden kann, um dort wieder mit Sauerstoff angereichert zu werden. Gelingt dieses nicht in ausreichender Form, dann treten Adrenalin-vermittelte Ausgleichsmechanismen in Kraft.
Symptome bei venösen Kreislaufstörungen – Herzrasen, Benommenheit, Schwanken, Zittern, Ohnmacht
Subjektive Symptome eines gestörten venösen Rückstroms sind Benommenheit treten beim Aufstehen, nach längerem Stehen und auch bei langsamem Gehen auf.
- innere Unruhe
- schneller Herzschlag
- rasche Ermüdbarkeit
- Benommenheit
- Ohnmacht
Eine Ohnmacht tritt selten auf. Wenn Sie genau aufpassen, dann können Sie bei Ihren Mitmenschen unbewußte Ausgleichsreaktionen zur Verbesserung des venösen Rückstroms und damit zur Verhinderung einer Ohnmacht beobachten. Im Stehen besteht hier eine Tendenz sich schnell hinzusetzen, zu schwanken oder auch in seltenen Fällen ein gut sichtbares Muskelzittern.
Da da Kreislaufstörungen von einer z.T. erheblichen Adrenalin-vermittelten Aktivierung begleitet werden, drohen Angstreaktionen in Verbindung mit dem Stehen oder begleitenden Ereignissen. Folglich kann sich aus einer somato-psychischen Kreislaufstörung eine psycho-somatische Erkrankung mit Angstzuständen bis hin zu einer Fixierung in Form einer Phobie entwickeln.
Nun, um diese Prozesse besser zu verstehen müssen wir uns mit den verschiedenen Muskelpumpen des venösen Rückstroms beschäftigen.
Blutfluss in den Venen – verschiedene Muskelpumpen
Wie kann also nun im Stehen venöses Blut bergauf fließen?
Damit der venöse Rückstrom funktioniert und dem Herz wieder genug Blut zur Verfügung steht, müssen verschiedene Muskelpumpen funktionieren und richtig ineinander greifen.
Ist das sauerstoffreiche Blut über Arterien in Ihrer Großzehe angekommen und genügend Sauerstoff an das Gewebe abgegeben, dann muss es nun wieder zurück zum Herz. Dieses geschieht über die Venen. Nun, in der Großzehe sitzt kein Herz, welches das Blut gegen die Schwerkraft nach oben pumpt, so dass hier andere Pumpen am Werk sind. Der venöse Rückstrom beginnt mit der peripheren Muskelpumpe.
Periphere Muskelpumpe – von der Großzehe bis zur Leiste
Die periphere Muskelpumpe der Beine komprimiert die Beinvenen, so dass Blut herzwärts gedrückt wird. Die Venen sind im Vergleich zu Arterien deutlich muskelschwächer und dünnwandiger (Beinarterie ca. 1,0-1,5 mm vs. Beinvene ca. 0,5-0,75 mm) und lassen sich daher gut zusammendrücken. Auch beim vermeintlich ruhigen Stehen spannen Sie Ihre Beine durch leichte Bewegungen immer wieder unwillkürlich an. Dieses dient der Unterstützung des venösen Rückstroms.
Den Rückfall des Blutes mit der Schwerkraft nach fußwärts verhindern Rückschlagventile, die Venenklappen. Diese gibt es fast ausschließlich in den Extremitäten, also den Beinen und den Armen. Von den Beinen aus gesehen, gibt es ab der Leiste und damit ab dem Übergang in den Becken-Bauchraum keine Venenklappen mehr, die den Rückfall von Blut fußwärts verhindern.
Beckenboden Muskelpumpe – das Herz in der Hose
Der Beckenboden ist ein komplexes Gefüge aus ganz verschiedenen Muskeln. Diese ziehen sich unwillkürlich, also unbewusst zusammen: Anspannung in der Einatmung, Entspannung in der Ausatmung. Dabei wird das reichhaltige Venengeflecht des Beckens ausgepresst und herzwärts gedrückt, der Beckenboden ist sozusagen das Herz in der Hose.
Falls Sie ein Becken-Bodentraining schon einmal gemacht haben, dann werden Sie gemerkt haben, dass sich mit der Anspannung des Beckenbodens auch die Muskulatur auf der Innenseite des Oberschenkels anspannt. So werden die Oberschenkelvenen Richtung Bauchraum und somit herzwärts ausgedrückt.
Je schwächer die Beckenbodenmuskulatur, desto weniger trägt der Beckenboden zum Kreislauf bei und das venöse Blut versackt dann in den Beckenvenen. Sie können sich das so vorstellen, aus einer schlanken Bordeauxflasche wird eine bauchige Bocksbeutelflasche.
Dieses vermehrte Blutvolumen erhöht auch den Druck im Venengeflecht des Beckenbodens, so dass Blut aus den Beinen schlechter abfließen kann. Beinödeme sind hier häufig die Folge. Darüber hinaus hat Ihr Beckenboden noch zahlreiche weitere Funktionen.
Körperstamm Muskelpumpe – gute Grundspannung wichtig
Die Muskulatur des Körperstamms hält Spannung auf den Bauchvenen. Das ist besonders wichtig, weil Bauchvenen bis auf Einzelfälle keine Venenklappen haben. Sie können sich das so vorstellen, als ob Sie eine halbvolle aufrechte Shampoo Flasche nach oben ausdrücken wollen; die Öffnung stellt den Übergang zur rechten Herzvorkammer dar. Wenn Sie mit Ihren Händen keine Spannung aufbauen, dann können Sie die Flasche auch nicht ausdrücken. Anders gesagt, das venöse Blut hat es bei zu geringer Körperspannung schwerer zurück zum rechten Herz zu kommen.
Lungen-Muskelpumpe – starkes Zwerchfell besonders wichtig
Ab der Mitte des Bauchraums beginnen die Sogkraft der Lunge (und des Herzens) den Rückstrom zu unterstützen. In der Einatmung senkt sich das Zwerchfell Richtung Bauchraum und Ihre Lunge entfaltet sich. So entsteht in der Lunge ein Unterdruck, welcher einen Sog auf venöses Blut im Bauchraum ausübt. Diese geschieht je nach Anzahl der Atemzüge 12-16 mal pro Minute.
Ist Ihr Zwerchfell zu schwach, dann ist der venöses Rückstrom verringert und Ihre Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt. Ein geschwächtes Zwerchfell entsteht häufig als Folge einer flachen Mund-Brustatmung. Das Zwerchfell wird so einfach nicht genügend trainiert; das ist genau so eine Dekonditionierung, wie wir sie von anderen Muskeln im Körper kennen. Gerade bei älteren Menschen, die ja in der Regel weniger Fleisch essen, kommen noch ein Vitamin B12 bzw. ein Eisenmangel hinzu. Die Lungenmuskelkraft können wir in der Cardiopraxis mittels Manometrie gut messen.
Herz-Muskelpumpe – Sog während der Auswurfphase
Wenn Sie Ihren Puls fühlen, dann werfen die Hauptkammern Blut Richtung Lunge bzw. Körperkreislauf aus. Gleichzeitig bewegt sich das Herz in Richtung Herzspitze. Dieses übt bei geschlossenen vorgeschalteten Verbindungsklappen – rechts Trikuspidalklappe, links Mitralklappe – über einen Unterdruck einen Sog auf die jeweilige Vorkammer und das vorgeschaltete Venensystem aus. Dieses fördert auf der Seite der rechten Hauptkammer den Rückstrom aus dem Systemkreislauf.
Die Auslenkung der Hauptkammer Richtung Herzspitze, und damit auch indirekt die Sogkraft ist im Herzultraschall mit dem sog. Tissue-Doppler gut messbar. Sie beträgt für die Seitenwand der rechten Hauptkammer 3,0 – 3,5 cm im Integral pro Herzaktion, für die linke Hauptkammer 2,0 – 2,5 cm. Ist der Wert rechts erniedrigt, z.B. fast immer nach einer Herzoperation und/oder durch Einnahme z.B. eines Beta-Blockers, dann kommt es zu einer Einflussstauung in den Brustraum. Das können wir im Ultraschall alleine schon an einer Weitstellung der großen unteren Körpervene, der Vena cava inferior im Stehen von deutlich mehr 15 mm erkennen.
Neben der Sogkraft spielt natürlich auch die Häufigkeit des Vorgangs eine Rolle. Liegt Ihre Herzfrequenz unter 50 bpm, dann kann eine sog. bradykarde Herzschwäche durch einen zu niedrigen Herzschlag eintreten.
Das Zusammenspiel aller Muskelpumpen
Für den geordneten vorwärtsgerichteten Fluss in einem hydraulischen System muss im vorgeschalteten System der Druck höher als im nachgeschalteten System sein. Dieses Druckgefälle nennen wir Druckgradienten. Beim venösen Rückfluss lässt sich das am besten ausgehend von der Atmung erklären.
Einatmung. Wenn Sie einatmen, dann spannt sich das Zwerchfell in Richtung Bauchraum an und die Lunge entfaltet sich. Durch die Weitstellung der Lungenarterien wird der Gefäßraum deutlich erweitert und der Druck fällt ab. Da das Zwerchfell nach unten drückt, werden im Bauchraum die Organe und damit auch die dünnwandigen Venen komprimiert. Hier steigt also der Druck. Das Resultat ist ein Anstieg des Druckgefälles zwischen Bauchraum (Zunahme) und Brustraum (Abnahme). Folglich fließt mehr venöses Blut aus dem Bauch- in den Brustraum.
Ausatmung. Wenn Sie ausatmen, dann entspannt sich das Zwerchfell Richtung Brustraum und die Lunge zieht sich aufgrund ihrer elastischen Eigenschaften zusammen. Folglich werden auch die Lungenarterien enger und der Druck steigt. Gleichzeitig sinkt der Druck im Bauchraum. Der Druckgradient zwischen Bauch- und Brustraum wird geringer, was einen verringerten herzwärts gerichteten Vorwärtsfluss zur Folge hat.
Um hier einem fußwärts gerichteten Rückfluss entgegen zu wirken, spannt sich die Becken-Bodenmuskulatur in der Ausatmung an und der Druck im Becken steigt. Es entsteht also ein Druckgradient zwischen Beckenraum und Bauchraum, so dass Blut Richtung Bauchraum fließen kann. Gleichzeitig wird mit der Anspannung des Beckenbodens auch die Muskulatur der Innenseite des Oberschenkels angespannt. Die Folge ist, dass venöses Blut aus dem Oberschenkel in den Bauchraum (am Becken vorbei) fließen kann.
Herz und Beine. Unabhängig von der Atmung wird auch durch die Herzaktion und die unwillkürliche Bewegung der Beine ein Druckgradient in die vor- bzw. nachgeschalteten Kompartimente aufrechterhalten, um den vorwärtsgerichteten Blutfluss zu unterstützen. Der Rückfluss in die Beine wird zu jedem Zeitpunkt durch die Venenklappen verhindert.
Kreislauftraining für die Venen
Wenn Sie den venösen Rückfluss trainieren, dann verbessern Sie Ihre Leistungsfähigkeit und Ihr Befinden. Grundsätzlich sind alle Ansätze geeignet, die den Schwerpunkt auf den Körperstamm legen. Yoga ist hier hervorragend geeignet, weil neben der Muskulatur des Körperstamms auch der Beckenboden und das Zwerchfell gekräftigt werden. Auch isometrisches Training kann helfen!
Manchmal ist ein gezieltes physiotherapeutisch angeleitetes Beckenboden-Training erforderlich, um die Ansprache, d.h. das Gefühl für den Beckenboden zu erlernen. Erst wenn der Beckenboden professionell antrainiert ist, dann ist auch ein Training mit Vibrationsplatten, z.B. Power-Plate oder Galileo sinnvoll.
Literatur
Cardiopraxis – Kardiologen in Düsseldorf & Meerbusch