Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Eine antihormonelle Therapie kommt bei einem Großteil der Patientinnen zum Einsatz und hat im Vergleich zur Chemotherapie weniger starke Nebenwirkungen. Allerdings können die Medikamente kardiovaskuläre Nebenwirkungen haben, über die wir im folgenden Beitrag berichten.
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Verbesserte Überlebenschancen bei Brustkrebs durch leitliniengerechte Behandlung
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung (30 % aller Krebsfälle) bei Frauen in Deutschland:
- Jährlich werden ungefähr 69.000 neue Brustkrebsfälle bei Frauen diagnostiziert.
- Eine von acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs.
- Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter an, besonders ab dem 50. Lebensjahr; das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 64 Jahren.
- Bei Männern ist Brustkrebs sehr selten und macht nur etwa 1 Prozent aller Brustkrebsfälle aus: jährlich erkranken ca. 750 Männer.
Trotz der hohen Fallzahlen haben sich die Überlebenschancen durch die enormen Fortschritte in der Behandlung deutlich verbessert. Wird Brustkrebs rechtzeitig erkannt und behandelt, sind die meisten Brustkrebs-Erkrankungen heilbar. So leben 87 Prozent der Patientinnen nach 5 Jahren noch.
Problematisch sind die auch nach längerer Zeit auftretenden Metastasen und Lokalrezidive, so dass bei hormonrezeptor-positiven Brustkrebsformen (70-80% der Brustkrebsfälle) in der Nachbehandlung nach Operation oder bei Metastasen eine antihormonelle Therapien über einige Jahre erforderlich wird.
Wirkstoffe der antihormonellen Therapie bei Brustkrebs
Antihormonelle Therapien werden oft im Vergleich zur Chemotherapie gut vertragen. Sie kommen bei hormonrezeptor-positiven Brustkrebsformen zum Einsatz. Das setzt voraus, dass die Tumorzellen Rezeptoren (Andockstellen) für die weiblichen Hormone Östrogen und/oder Progesteron aufweisen.
Die Entscheidung für eine antihormonelle Therapie hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Hormonrezeptor des Tumors
- Menopausenstatus
- Individuelles Rückfallrisiko
- Mögliche Nebenwirkungen und Verträglichkeit
In der antihormonellen Therapie kommen verschiedene Wirkstoffklassen zum Einsatz. Oft werden diese Therapien auch kombiniert oder sequenziell eingesetzt, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Die Dauer der antihormonellen Therapie beträgt in der Regel mindestens fünf Jahre, kann aber in einigen Fällen auf bis zu zehn Jahre ausgedehnt werden, um das Rückfallrisiko weiter zu senken.
Tamoxifen wirkt als selektiver Östrogenrezeptor-Modulator
Tamoxifen blockiert die Östrogen-Rezeptoren auf den Brustkrebszellen und verhindert dadurch, dass Östrogen an diese Rezeptoren binden und das Tumorwachstum stimulieren kann. Zudem führt es zu einer Abnahme der Zellvermehrung in den Tumoren aufgrund des fehlenden Wachstumssignals durch Östrogen. Tamoxifen schaltet nicht die Östrogenproduktion ab.
Bei metastasiertem Brustkrebs kann Tamoxifen in etwa 30% der Fälle zu einer vollständigen oder teilweisen Rückbildung von Metastasen führen, besonders in Weichteilen und Knochen.
Tamoxifen weist partiell agonistische Östrogeneffekte auf und hat möglicherweise kardioprotektive Effekte, beispielsweise auf das Lipidprofil. Es wird sowohl vor als auch nach den Wechseljahren angewendet wird, hauptsächlich jedoch bei Frauen vor den Wechseljahren.
Aromatasehemmer hemmen die Umwandlung von Androgenen in Östrogen
Aromatasehemmer (z.B. Anastrozol, Letrozol, Exemestan) hemmen das Enzym Aromatase, das für die Umwandlung von Androgenen in Östrogene verantwortlich ist. Sie reduzieren die Östrogenproduktion im Muskel- und Fettgewebe, die die Hauptquelle des Östrogens nach den Wechseljahren sind, nicht aber in den Eierstöcken.
Dementsprechend sind die Aromatasehemmer besonders effektiv bei postmenopausalen Frauen, da nach den Wechseljahren das periphere Gewebe die Hauptquelle des Östrogens ist.
GnRH-Analoga hemmen die Ausschüttung von Gonadotropinen aus der Hypophyse
GnRH-Analoga (z.B. Goserelin, Leuprorelin) hemmen die Ausschüttung von Gonadotropinen aus der Hypophyse, der Hirnanhangsdrüse. Dadurch wird die Östrogenproduktion in den Eierstöcken komplett gehemmt. Sie führen zu einem kompletten Östrogenentzug im Körper, was das Wachstum östrogenabhängiger Tumoren stoppt oder verlangsamt.
Sind besonders wirksam bei prämenopausalen Frauen, da sie die Hauptquelle der Östrogenproduktion (Eierstöcke) ausschalten. Oft werden sie in Kombination mit Aromatasehemmern für eine vollständige Östrogensuppression eingesetzt.
Östrogenrezeptor-Downregulatoren verringern die Anzahl der Östrogenrezeptoren
Östrogenrezeptor-Downregulatoren verringern die Anzahl der Östrogenrezeptoren und blockieren deren Funktion. Sie werden hauptsächlich bei fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs eingesetzt.
Kardiovaskuläre Nebenwirkungen der antihormonellen Therapie bei Brustkrebs
Allgemein gilt, dass die antihormonelle Therapie im Vergleich zur Chemotherapie weniger starke Nebenwirkungen hat. Dennoch kann die antihormonelle Therapie kardiovaskuläre Nebenwirkungen aufweisen, so dass die Patientinnen frühzeitig hinsichtlich potenzieller Risiken überwacht werden sollten.
Die häufigsten kardiovaskulären Nebenwirkungen umfassen:
- Thromboembolische Ereignisse unter Tamoxifen: Tamoxifen erhöht insbesondere in den ersten zwei Behandlungsjahren das Risiko für venöse Thromboembolien, tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien. Pathophysiologisch lässt sich dies durch die partiell östrogene Wirkung von Tamoxifen erklären. Östrogene können die Gerinnungsneigung erhöhen, indem sie die Produktion von Gerinnungsfaktoren in der Leber steigern und die Fibrinolyse hemmen.
- Arterielle Hypertonie vor allem bei Aromatasehemmern: Daher sollten Patientinnen regelmäßig den Blutdruck kontrollieren.
- Dyslipidämie vor allem bei Aromatasehemmern: Erhöhte Cholesterinwerte können das Risiko für Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit erhöhen. Daher sollten die Cholesterinwerte überwacht werden.
- Erhöhtes Risiko für Myokardinfarkte und Angina pectoris-Beschwerden unter Aromatasehemmern
- Verschlechterung des Glukose- und Insulinstoffwechsels
- In seltenen Fällen Herzrhythmusstörungen
In Einzelfällen wurden Herzrhythmusstörungen unter Tamoxifen-Therapie beobachtet. Der genaue Mechanismus ist nicht vollständig geklärt, könnte aber mit Veränderungen der Ionenkanäle in Herzmuskelzellen zusammenhängen.
Antihormonelle Therapien reduzieren den Östrogenspiegel oder blockieren dessen Wirkung. Östrogen hat normalerweise kardioprotektive Effekte, indem es die Gefäßelastizität und endotheliale Funktion fördert und die Lipidprofile verbessert. Der Wegfall dieser Schutzwirkung kann allgemein das kardiovaskuläre Risiko erhöhen.
Kardiovaskuläre Risiken der antihormonellen Therapie bei Brustkrebs – Fazit
Der therapeutische Nutzen der antihormonellen Therapie überwiegt ganz klar das potenzielle kardiovaskuläre Risiko. Das individuelle kardiovaskuläre Risiko kann in Abhängigkeit von dem Alter und möglichen bestehenden kardiovaskulären Vorerkrankungen variieren. Daher sind eine sorgfältige Überwachung und Risikostratifizierung besonders wichtig, um kardiovaskuläre Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, Gewichtsreduktion und Rauchstopp können dazu beitragen.
Literatur
- Matthews A et al. Long term adjuvant endocrine therapy and risk of cardiovascular disease in female breast cancer survivors: systematic review. BMJ 2018;363:k3845
- Okwuosa TM et al. Impact of hormonal therapies for treatment of hormone-dependent cancers (breast and prostate) on the cardiovascular system: effects and modifications: a scientific statement from the American Heart Association. Circ Genom Precis Med. 2021;14
- AGO Empfehlungen „Diagnosis and Treatment of Patients with Primary and Metastatic Breast Cancer”, Stand: April 2022