Wenn Medikamente entwickelt werden, folgen zunächst ausführliche Testungen, die in Studien durchgeführt. Aus den Ergebnissen kann man den Nutzen und die Risiken der neuen Therapie gut abschätzen. Natürlich werden diese Medikamente an Patienten untersucht, die dem typischen Krankheitsbild, das behandelt werden soll, entsprechen.
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Schädlich oder unwirksam?
Natürlich können aber nicht alle möglichen Patienten und Begleiterkrankungen getestet werden. Dies wäre auch gar nicht sinnvoll möglich, da es unendlich viele mögliche Kombinationen von Patienten und Erkrankungen gibt.
Hier kann in der Regel erst die Alltagserfahrung helfen. Auch nach langjährigen Erfahrungen mit einem Medikament ergeben sich gelegentlich Hinweise darauf, dass dieses zum Beispiel für ältere Patientinnen oder Patienten mit seltenen Begleiterkrankungen ungeeignet ist.
Diese Erfahrungen müssen auch nach Jahren noch gesammelt und bekannt gemacht werden. Zur Verbesserung der Therapie gibt es in den letzten Jahren Bestrebungen, solche Informationen Ärzten zur Verfügung zu stellen.
Ungeeignete Medikamente – vor allem ein Problem älterer Patient
Für ältere Patienten werden ungeeignete Medikamente (potenziell inadäquate Medikamente, PIM) in der sogenannten Priscus-Liste gesammelt. Es handelt sich um ein Projekt der UNI Witten Herdecke und wird vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Aktuell ist diese Liste aktualisiert worden.
Will man die Möglichkeiten einer falschen Medikation erfassen, muss man sich zunächst einmal Gedanken machen, was überhaupt falsch laufen kann.
Etwas vereinfacht, können Medikamente auf drei Arten falsch sein:
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Indikation: Das falsche Medikament
Insbesondere bei frei verkäuflichen Medikamenten, oder „Leihgaben“ in der Familie/Bekanntenkreis kommt es vor, dass Medikamente eingenommen werden, die nicht wirksam sind.
Die häufigsten Fehler sind allerdings nicht berücksichtigte Begleiterkrankungen oder Einschränkungen in der Indikation (ältere Patienten, eine nicht berücksichtigte Nierenschwäche oder Blutungsgefahr).
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Dosierung: Die Dosis macht das Gift
Die Überdosierung betrifft besonders Ältere, oder sehr leichte Patienten. Bei Unterdosierung besteht die Gefahr das Nebenwirkungen riskiert werden aber kein Nutzen besteht.
Häufiges Beispiel: Die Bluthochdrucktherapie. Der Blutdruck wird nicht gemessen, es bestehen hohe Werte, trotz Therapie (d.h. Risiko ohne Nutzen). Ein anderes häufiges Beispiel ist die Cholesterinsenkung: Trotz Medikamenteneinnahme werden die Zielwerte nicht erreicht.
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Dauer: Das Medikament wird zur Routine
Häufig wird sich nicht getraut ein Medikament wegzulassen oder eine alternative auszuprobieren. Viele Medikamente machen erst Probleme, wenn sie zu lange eingenommen werden (Schmerzmittel, Schlafmittel, Magensäureblocker). Aus der Therapie wird eine scheinbare Prophylaxe. Das ist aber oft nicht sinnvoll. Insgesamt scheint das Ansetzen von Medikamenten leichter zu sein als das Absetzen.
Die AOK, als größte Krankenkasse, hat im neuen Arzneimittelkompass veröffentlicht, wie oft solche Konstellationen bei ihren Patienten vorkommen. Die Ergebnisse sind besorgniserregend.
Arzneimittelkompass
65-jährige und ältere bekamen im Jahr 2021 durchschnittlich 4,4 Arzneimittel pro Tag verschrieben. Das klingt erstmal sehr viel und erstaunt auch die Fachkreise. In der Analyse waren die meisten Medikamente jedoch sehr gut indiziert. Hier zeigt sich wahrscheinlich ein Alterseffekt. Die Lebenserwartung steigt und viele Erkrankungen brauchen tatsächlich eine langfristige Medikation. Hier lag nicht das eigentliche Problem!
Tatsächlich bekamen fast die Hälfte (49,5%) der Patienten zumindest ein für ältere Patienten ungeeignetes Präparat verschrieben. Das ist natürlich bedenklich viel! Hier müssen allerdings weitere Auswertungen folgen, da die Daten nicht einfach auf die Bevölkerung übertragbar sind. Es sind ja nicht alle in der AOK und es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den Krankenkassen.
Leider sind auch die Bewertungen auch nicht in einer für die Allgemeinheit sinnvollen Reihenfolge. Nicht jede Fehlmedikation hat die gleichen Folgen! Es macht einen Unterschied, ob sie 11 Tage statt 10 Tage einen Magenschutz einnehmen, oder ob sie eine falsche und toxische Substanz auch nur einmal einnehmen.
Also muss diese Zahl mit großer Vorsicht bewertet werden, da Krankenkassendaten keine objektive medizinische Bewertung für alle Patient*Innen zulassen.
Eine Lehre sollte aus den Daten allerdings schon gezogen werden:
Bei jedem Arztbesuch müssen die Medikamente bezüglich Wirksamkeit, Nutzen und Risiko neu bewertet werden. Sie sollten im Zweifel ruhig einmal nachfragen.