Xarelto® – Fieber, eine häufige und unbekannte Nebenwirkung
Xarelto® mit dem Wirkstoff Rivaroxaban gehört zur neuen Generation der Gerinnungshemmer. Dieses Medikament wird mit gutem Erfolg bei Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose, Lungenembolie oder auch zur Verhinderung von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern eingesetzt. In der Gruppe der neuen Gerinnungshemmer ist Xarelto® das am meisten verkaufte Produkt weltweit.
Eine häufige, allerdings auch bei Ärzten wenig bekannte Nebenwirkung von Xarelto® ist eine erhöhte Körpertemperatur mit den verschiedenen Folgesymptomen. Die Nebenwirkung „Fieber“ tritt laut Fachinformation in bis zu 10% der Fälle auf. Der geringe Bekanntheitsgrad dieser Nebenwirkung ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass die meisten von uns nicht regelmäßig ihre Körpertemperatur messen und so Abweichungen nicht registrieren.
Xarelto®– Serotonin-vermittelte Steigerung der Körpertemperatur?
Der Wirkstoff von Xarelto®, Rivaroxaban weist eine hohe chemische Strukturähnlichkeit mit dem Antibiotikum Linezolid auf. Die Ähnlichkeit ist so groß, dass Rivaroxaban sogar darauf wissenschaftlich untersucht worden ist, ob es antibiotische Eigenschaften hat, was allerdings nicht der Fall ist.
Von Linezolid wissen wir, dass es vermittelt durch den Botenstoff Serotonin im Gehirn die Körpertemperatur erhöht. Das kann vor allen Dingen in Verbindung mit Antidepressiva, die ebenfalls in den Serotonin-Stoffwechsel eingreifen, den sog. Serotonin Re-uptake Hemmern zum gefürchteten Serotonin-Syndrom führen. Neben der Temperaturerhöhung kommt es beim Serotonin-Syndrom zu weiteren Symptomen der Überhitzung wie Anstieg der Herzfrequenz, Schwitzen, schnelle Atmung, Unruhe bis hin zu Bewusstseinsstörungen sowie Händezittern bis hin zu Krampfanfällen des Gehirns.
In Anbetracht der hohen chemischen Strukturähnlichkeit von Rivaroxaban und Linezolid kann berechtigt angenommen werden, dass die Nebenwirkungen von Xarelto® auch über Serotonin vermittelt werden. Damit wäre die Temperaturerhöhung bei Rivaroxaban kein „Fieber“, welches ja durch eine Sollwertverstellung im Regelkreis der Thermoregulation gekennzeichnet ist, sondern eine Serotonin-vermittelte zentral verursachte Temperatursteigerung über das Gehirn.
Xarelto®– Temperaturerhöhung, innere Unruhe, Schwäche, Müdigkeit, Schwindel…..
Während der Mechanismus der Temperaturerhöhung durch Xarelto® nicht sicher belegt ist, ist die Häufigkeit von bis zu 10% aller Behandelten wissenschaftlich gesichert. Die Nebenwirkung auf die Temperaturregulation erklärt zahlreiche, ebenfalls häufige Nebenwirkungen, die unter Xarelto® auftreten können.
Hierfür sollten Sie sich kurz vor Augen führen, dass die Steuerung der Körpertemperatur einem Regelkreis unterliegt, welcher einen stabilen individuellen Sollwert halten will, so dass alle biochemischen Prozesse in Ihrem Körper gut funktionieren. Weicht Ihre Körpertemperatur, wie im Fall einer Nebenwirkung von Xarelto® nun nach oben ab, dann versucht der Organismus die Temperatur wieder auf den Sollwert abzusenken. Am besten regulierbar ist dies über eine Weitstellung der Blutgefäße, was wiederum eine vermehrte Abwärme ermöglicht. Sie merken das an einer warmen Haut und im Extremfall fangen Sie sogar an zu schwitzen.
Die Weitstellung der Blutgefäße erklärt nun eine ganze Reihe von weiteren häufigen sekundären Nebenwirkungen unter Xarelto®, die Ausdruck von Ausgleichsreaktionen sind. Durch den damit verbunden Blutdruckabfall kann bei Ihnen Benommenheit auftreten. Ihr Körper versucht dann den Druckabfall durch eine Adrenalin-vermittelte Steigerung der Herzfrequenz auszugleichen. Durch das Wechselspiel zwischen den beiden Notwendigkeiten auf der einen Seite Wärme abzugeben und auf der anderen Seite den Blutdruck aufrechtzuerhalten kommt es zu Blutdruckschwankungen. Adrenalin erklärt dann wiederum Ihre innere Unruhe und die damit einhergehende Erschöpfung aufgrund eines erhöhten Energieaufwandes zur Stabilisierung des Kreislaufs.
Die Ausgleichsreaktionen erklären auch, warum eine thermoregulatorische Nebenwirkung von Xarelto® nicht sofort Temperaturerhöhung zur Folge hat. Solange der Körper durch die Ausgleichsreaktion genügend Wärme abstrahlen kann, solange dominieren als Nebenwirkung die verschiedenen Ausgleichsreaktionen. Ist die Temperatur erhöht, dann ist das als Folge einer thermoregulatorischen Dekompensation zu werten.
Xarelto®– Behandlungsverlauf sorgfältig auf Nebenwirkungen beobachten
Wir betreuen in der Cardiopraxis viele Menschen, die Xarelto® zur Verhinderung von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern einnehmen. Dieses tun wir mit gutem Resultat, weil Xarelto® gerade zu diesem Zweck ein sehr gutes Medikament ist. Xarelto® hat gegenüber den anderen neuen Gerinnungshemmern, wie Lixiana®, Eliquis® und Pradaxa® sogar den Vorteil, dass es als einziges nicht über das Cytochrom P450 System der Leber abgebaut wird, was die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wahrscheinlich verringert. Bei den Menschen, die wir bereits betreuen achten wir sorgfältig auf die genannten Nebenwirkungen und setzen im Verdachtsfall von Nebenwirkungen auf ein anderes Präparat um.
Besonders bei Menschen die als Antidepressivum einen sog. Serotonin Re-uptake Inhibitor erhalten sind wir wachsam. Bei der Ersteinstellung auf einen Gerinnungshemmer verzichten wir in diesen Fällen auf Xarelto®.
Xarelto®– Blutdruckschwankungen führen häufig zum Besuch beim Kardiologen
Ein immer wieder vorkommendes Problem, was neue Patienten zu uns die Cardiopraxis führt, sind Blutdruckschwankungen. Wir müssen uns dann fragen: woran liegt das? Liegt es gegebenenfalls an der Einnahme von Xarelto®?
Wir haben in der Cardiopraxis umfangreiche Erfahrungen mit der unblutigen Blutflussmessung. Das ermöglicht uns die thermoregulatorische Weitstellung von Blutgefäßen über eine Steigerung des Blutflusses indirekt zu erfassen, was ja eine Folge von Xarelto® sein kann. Nach sorgfältiger Abwägung, möglicherweise bei weiteren Nebenwirkungen, setzen wir dann von Xarelto® auf einen anderen Gerinnungshemmer um. Normalisiert sich dann bei einem Kontrolltermin der Blutfluss wieder, so wie im unten gezeigten Bild, dann können wir von einer Nebenwirkung von Xarelto® ausgehen und vermeiden bei diesem Menschen in Zukunft dieses Medikament.
In seltenen Fällen ist der thermische Stress so hoch, dass der Blutfluss paradox erniedrigt ist.
Selbstverständlich setzen wir auch bei anderen Nebenwirkungen von Xarelto® um. Die Veränderungen des Blutflusses sind bei dem beschriebenen Vorgehen allerdings ein besonders gutes Argument, was uns bei der Umstellung bestätigt.
Nebenwirkungen unter Xarelto®? – Sie sollten mit Ihrem Kardiologen sprechen
Sollten Sie Xarelto® einnehmen und den Verdacht auf eine der genannten Nebenwirkung haben, dann ist es für Sie sinnvoll zunächst einmal zu überprüfen, ob ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Symptomen und dem Beginn der Behandlung mit Xarelto® besteht; das wäre dann schon ein ziemlich eindeutiger Zusammenhang. Auch können Sie Ihre Basaltemperatur im Ohr an mehreren Tagen messen.
Der nächste Schritt ist dann die Nebenwirkungen am besten mit dem verschreibenden Arzt zu besprechen. Wenn Sie denn Zusammenhang zwischen Temperaturerhöhung und Xarelto® schildern, dann werden Sie wahrscheinlich auf Unverständnis stoßen, da den meisten Ärztinnen und Ärzten diese Nebenwirkung nicht bekannt ist. Sie können dann auf die Fachinformation (s.u.) verweisen.
Nochmals grundsätzlich, Sie sollten niemals gerade einen Gerinnungshemmer eigenständig umsetzen oder gar absetzen. Das kann schwere gesundheitliche Folgen für Sie haben.
Xarelto® ist ein gutes Medikament, aber es hat Nebenwirkungen, wie jedes andere Medikament auch. Auf Nebenwirkungen von Medikamenten sollten Sie grundsätzlich immer achten.
Center for drug evaluation and research, Application number: 202439Orig1s000
Hasani R et al. Anesth Essays Res. 2019 ;13: 188-190
Cardiopraxis – Kardiologen in Düsseldorf & Meerbusch